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Rezension Andrea Schütze: Marie Philipps, Götter ohne Manieren


Literatur-Rezension

Werkdaten:


Marie Philipps,
Götter ohne Manieren,
Original: Gods behaving badly,
London 2007,
aus dem Engl. übers. v. Sabine Herting,
Bertelsmann-Verlag
München 2007
ISBN 978-3-570-01003-7
318 S.,
Preis: 17,95 €

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Buchinfo (Random-House Verlagsgruppe)


Was macht eigentlich ein Gott an den keiner mehr glaubt? Diese philosophisch-theologisch interessante Frage stellt Marie Phillips in ihrem Buch und beantwortet sie zugleich recht frech: Er passt sich an... und wenn man auf die griechischen Götter blickt, die sich in Phillips´ Buch tummeln, dann macht das der ein oder andere auch ganz erfolgreich. Die griechischen Götter, an die keiner mehr glaubt und die trotz ihrer auffälligen Namen offenbar auch keiner erkennt, sind keineswegs tot, sondern leben seit dem 17. Jahrhundert in einem kleinen Haus in London, das in den Jahrhunderten fehlender Reinigung und Pflege vollkommen heruntergekommen ist. Dort fristen sie ihr Dasein und zehren von den alten Glaubensfettreserven ihrer längst vergangenen paganen Kulturwelt. Während der alte Göttervater Zeus - wegen Kräfteverschwendung zum Pflegefall verkommen - in einer dunklen Abstelle auf dem Dachboden sein Dasein fristet, schlägt sich Artemis als unterbezahlte und leicht frustrierte Hunde-Gassi-Geherin durch. Aphrodite hingegen, die mit ihrer schlüpfrigen Art im Leben der Sterblichen für reichlich Wallung und Verwirrung sorgt, zieht die Profession als Telefonsexanbieterin einer Modell-Karriere vor, während Eros in Jesus Christus sein religiöses Pendant in Sachen Liebe erkannt zu haben glaubt und zum Christentum übergewechselt ist. Dionysos, ehemaliger Party- und Weingott mit einem deutlichen Suchtproblem, mixt als DJ und Nachtclubbesitzer in der Hausküche seine Grooves und Ares, der sich mit Apoll das Zimmer teilt, ist engagierter Kriegsaktivist (eine Umkehrung des üblichen Bildes vom Friedensaktivisten). Im Mittelpunkt dieser bunten Götterwelt steht allerdings der eitle Schönling und Frauenheld Apoll, der sein Bedürfnis nach medialer Bewunderung in einer schäbigen Astro-Show stillt. Dort tritt der Gott der Weissagung als TV-Hellseher vor einem Publikum auf, das in der Hauptsache aus routinierten und gelangweilten älteren Frauen besteht.

Sein erster Fernseh-Auftritt endet in einem medialen Fiasko und wird zum Anknüpfungspunkt für die gesamte weitere Handlung. In dieser Fernsehshow beginnen sich die Bahnen der Götterwelt und zweier vom Leben und der Welt vergessener Sterblicher schicksalshaft zu kreuzen. Alice, Anfang 30, fleißig wie umsichtig und altbackene Brillenträgerin, führt als unscheinbare Putzfrau des Fernsehstudios ein sehr zurückgezogenes Leben, das sich bereits gefährlich in altjüngferliche Bahnen mit Kitsch und Nippes auf dem Kaminsims und einer an Pedanterie grenzenden Ordnungsliebe einzugraben beginnt. Eigentlich ist sie eine Frau, die nur Vorteile besitzt, würde sie mehr aus ihrem Typ machen und wäre sie nicht entsetzlich schüchtern.

Darin übertroffen wird sie eigentlich nur noch von ihrem männlichen Pendant, Neil, den Marie Phillips – entsprechend dem Spiegelbild-Prinzip – in der Reflexion von Alices Brillengläser näher beschreibt als „eine kleine maulwurfsähnliche Gestalt mit drahtigem dunklem Haar, das ihm wie eine Bürste vom Kopf“ steht (S. 29). Auch er befindet sich auf dem besten Weg ein eingefleischter Junggeselle zu werden mit einem Leben vor dem Computer, Comics, Bücher, „Betamax- und VHS-Kassetten sowie seine DVD-Sammlung“ in Regalen, streng „nach Genres geordnet und dann nach dem Alphabet“ sortiert (S. 59). In konsequenter Umsetzung des Bildes von einem pedantischen Messie im Anfangsstadium bildet sein Stolz eine „Sammlung kompletter Fernsehserien, die er über fast drei Jahrzehnte aufgenommen hatte“ (S. 59).   Beide lieben sich, doch kommt man sich wegen der gegenseitigen Schüchternheit nur mühsam bis gar nicht über das Scrabble-Spiel näher.

Als Alice die Initiative ergreift, es wagt Grenzen zu überschreiten und entgegen dem Gebot des Filmstudios Neil in eine Fernsehsendung Apolls begleitet, verliert sie auch prompt ihre schlecht bezahlte Stellung. Gerade an diesem Tag rächt sich Aphrodite an Apoll und lässt ihn durch Eros´ Liebes-Pfeil verwunden, woraufhin er in unstillbar glühender Liebe zu Alice entbrennt, die unscheinbar im Publikum sitzt. Nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes führt sie das Schicksal wiederum zu Apoll - dieses Mal als Putzfrau der Götter - und damit nimmt eine turbulente Liebeskomödie ihren Anfang.

Marie Phillips greift in ihrem Roman verschiedene klassische Erzählmotive auf. So das schon aus der antiken Theaterwelt bekannte Phänomen des „deus ex machina“, der hier nicht allein in Gestalt eines einzigen Gottes, sondern einer ganzen Götterfamilie in das Leben von Neil und Alice hereinbricht und deren stagnierende Liebesentwicklung erst richtig auf Touren bringt. Weiter verwendet sie das Motiv des von der Männerwelt übersehenen, unscheinbaren Mädchens mit Job-Verlust (Gegenstand vieler US-Liebeskomödien), die plötzlich vor die Entscheidung zwischen zwei Männer gestellt wird, die sich beide in sie verliebt haben und die unterschiedlicher nicht sein könnten. So stellt Neil den soliden, unscheinbaren Männer-Typ dar, der mit seinen tiefen Gefühlen zunächst die schlechteren Karten im Liebenswerben zu besitzen scheint, während Apoll den bislang oberflächlichen, eitlen Schönling abgibt, der als Traummann erstmals seine tiefen Herzensregionen entdeckt.

Für sich betrachtet wirken diese bekannten Elemente zwar etwas abgedroschen. Marie Phillips gelingt es jedoch sie zu einer schnellen und vergnüglichen Geschichte neu zu arrangieren. Leider geht sie in ihrer witzigen Charakterisierung der Figuren manchmal etwas (zu) weit und entzieht damit ihren Figuren einiges an Attraktivität. Beispielsweise hätte es der etwas platt und aufdringlich präsentierten Götterattribute nicht bedurft. Auch ist nicht alles in seiner Bedeutung richtig erkannt. Das Pendant der Nächstenliebe von Jesus Christus passt nicht recht zur sexuellen Liebe, die Eros verkörpert. Doch sollte das im Vergleich zu einer pfiffigen Erzählidee nicht zu schwer bewertet werden und an schönen szenischen Einfällen hat das Buch eine Menge zu bieten, wie zum Beispiel der Fernsehabend bei den Göttern oder Apolls Absturz am Bartresen von Dionysos´Nachtclub „Bacchanalia“, wo er seinen Liebeskummer um Alice im Alkohol ertränkt.
Bisweilen wirken Sprache und Handlung im Zusammenhang mit den Göttern etwas drastisch-derb und möglicherweise gewöhnungsbedürftig, wie die einleitende sexmüde Szene zwischen Apoll und Aphrodite. Dies macht allerdings durchaus Sinn. In ihrer antik-derben Farblichkeit tritt die griechische Götterwelt in gekonnten Kontrast zur gepflegt verklemmten (Sprach-)Welt der christlichen Abendlandkultur, aus der die beiden menschlichen Hauptdarsteller stammen.

Marie Phillips hat mit ihren „Göttern ohne Manieren“ kein tiefschürfendes Werk, jedoch unterhaltsame Belletristik geschaffen, die garantiert einen schnellen und vergnüglichen Lesespaß bietet. 

Andrea Schütze





Andrea Schütze München, Andrea Schuetze, Lupa Romana, Historikerin, Rechtshistorikerin, Althistorikerin, Mediävistin, Kunsthistorikerin, Rechtshistorikerin, Archäologin, Rezension.

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