Rezension Andrea Schütze: Harald Parigger, Fugger und der Duft des Goldes
Literatur-Rezension
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Werkdaten:
Harald Parigger,
Fugger und der Duft des Goldes. Die Entstehung des
Kapitalismus,
(= Arena-Bibliothek des Wissens - Lebendige Geschichte),
Arena-Verlag,
Würzburg 2009
ISBN 978-3-401-05992-1
150 S.,
Preis: 8,95 €.
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Zum
550. Geburtstag von Jakob Fugger (1459 – 1525) und dem über Augsburg
hinaus gefeierten Fugger-Jahr hat der Arena-Verlag mit diesem Werk
einen zeitlich passenden Beitrag geleistet. Pariggers Buch erscheint in
der „Arena Bibliothek des Wissens“, die in vier Reihen
„Allgemeinbildung zur spannenden Lektüre“ (Klappentext) machen möchte.
Die Reihe „Lebendige Geschichte“, der dieses Buch angehört, wendet sich
Persönlichkeiten und Ereignissen der Weltgeschichte, genauer „den
Meilensteinen der Menschheitsgeschichte“ (Klappentext) zu. Dabei soll
nach der Zielsetzung der Herausgeber der Blick nicht allein auf die
großen historischen Persönlichkeiten und weltbewegenden Ereignisse,
Kriege und politischen Konstellationen gerichtet werden. Erklärtes Ziel
ist es vielmehr ein möglichst umfassend skizziertes Bild der Zeit zu
vermitteln, das auch den Alltag und die sogenannten „Kleinen Leute“
miteinbezieht. Auf diese Weise rückt dem Leser längst Vergangenes zum
Greifen nahe vor Augen.
Das Buch kennzeichnet ein doppelter Aufbau. Am Ende des Buches findet
sich ein Glossar (S. 145 – 147), das leicht verständlich
Spezialbegriffe erklärt, die im Text jeweils mit einem Sternchen (*)
markiert sind. Daran anschließend folgen zwei Inhaltsverzeichnisse,
eines zur rahmengebenden Erzählung (S. 148) anhand derer der Leser
durch die Zeit geführt wird und ein weiteres zu den Sachkapiteln (S.
149).
Beide Geschichten, die erzählende und die historische sind zudem
durchaus geschickt miteinander verknüpft. Tonangebend erscheint
zunächst die Erzählung, die sich um den jungen Bauernburschen Johann
strickt. Dabei wird sie immer wieder für historische Exkurse
unterbrochen. Klar verständlich werden darin beispielsweise der
Aufstieg der Fugger oder der sich aus dem christlichen Mittelalter
ergebende Zwiespalt besprochen, dem sich Kaufleute wie Jakob Fugger
ausgesetzt sahen. Das Zeitalter Jakob Fuggers kennzeichnete einerseits
die in Deutschland anbrechende Renaissance und der damit einhergehende
Aufstieg des Kapitalismus. Andererseits bestand aber immer noch die aus
mittelalterlich-christlicher Weltsicht (Mt. 21,12-13) resultierende
Ablehnung kapitalistischer Betätigungen. Diesen Konflikt galt es zum
Wohle des Seelenheiles zu lösen (hierzu noch am Ende der Rezension).
Der damit im Zusammenhang stehende Ablasshandel bedingte durch seine
Pervertierung wiederum die Reformation, die das Zeitalter der Neuzeit
einläutete.
Auf den Erzählfluss wirken sich die Exkurse keinesfalls störend aus,
sind sie doch stets an Stellen der Erzählung platziert, die beim
einsteigenden Leser ohnehin Fragen hervorgerufen haben und nun durch
die Exkurse beantwortet werden.
Hervorzuheben sind die zahlreichen Illustrationen, besonders die in der
Erzählung teils recht humorvollen Zeichnungen von Klaus Puth. Dieser
pointiert in ihnen nicht nur den jeweiligen Erzählschwerpunkt, sondern
vermag es durch ihre Aussagekraft auch eine eigenständige, parallel
erzählende Bildergeschichte zu schaffen. Besonders gelungen und wohl
durchdacht in seiner Aussage erscheint mir seine Gestaltung des
Buchcovers. Sie zeigt Jakob Fugger als Anfang und Ende des
Geldkreislaufes mit vergleichsweise kleinen Investitionen und riesigen
Einnahmen. Schön ist, dass er hier auf den Aufbau des Fugger-Imperiums
eingeht, das nicht allein dem Bild des mit Gewürzen, Tuchen und
Geschmeiden handelnden Kaufmannes entsprach, obwohl die Fugger auch
damit gute Geschäfte tätigten. Versinnbildlicht durch Jakobs
Investition in eine Schmiede, beruhte es ganz wesentlich auf den
Erträgen der Montanwirtschaft, sprich dem Bergbau in den Alpenregionen
und in Osteuropa. Und so fließt das Fugger-Geld als Finanzierung von
Krieg (Soldaten) und Herrscher (Burg) im Kreis.
Der Handlungsrahmen spielt vor 1518 bis 1525 (Entstehung des
Dürer-Gemäldes - Todesjahr von Jakob Fugger): Im Mittelpunkt steht der
Bauernbursche Johann, der Zeuge der Entführung von Jakob Fugger wird
und ihn aus den Händen der Räuber befreit. Aus Dankbarkeit und in
Erkenntnis der Fähigkeiten, die in diesem jungen Kerl stecken, nimmt
ihn der Augsburger Handelsherr mit in seine Welt, die dem Bauernjungen
nicht fremder sein könnte. In Fuggers Diensten, wo er ihm als
Leibwächter zur Seite steht, wird ihm nicht nur Bildung zuteil, sondern
er bekommt auch Einblick in den Alltag des Augsburger Patriziers, sieht
seine geschäftlichen Schachzüge, nimmt als Beobachter an
gesellschaftlich bedeutsamen Banketten teil, erlebt die Entstehung der
Fuggerei, durch die Jakob Fugger sein Seelenheil zu retten sucht und
sitzt am Ende am Sterbebett des alten Fugger, der ihm in seinen letzten
Zügen die Bedeutung des Duft des Goldes erklärt.
Das Fugger-Buch von Harald Parigger ist zwar als Jugendbuch ab 11
Jahren (Klappentext) konzipiert, erscheint mir darüberhinausgehend aber
durchaus auch für Erwachsene lesenswert. Abzüglich der Exkurse sind es
wohl kaum 100 Seiten, die sich schnell und recht gefällig lesen lassen.
Zudem gelingt es Harald Parigger die Hauptcharaktere Jakob Fugger und
den Bauernburschen Johann anschaulich und freundlich zu zeichnen.
Besonders Jakob Fugger wurde von ihm schön skizziert, als eine
eigentlich schwer zu durchschauende Gestalt, die hinter ihrer
unbeweglichen Miene soviel feinsinnigen Humor, wie kühle Berechnung
eines harten Geschäftsmannes aufweist und dennoch von ganz menschlicher
Eitelkeit geplagt wird.
Eine sicherlich nicht konzipierte, aber trotzdem höchst interessante
Besonderheit des Buches haben die aktuellen globalen Verwerfungen der
Weltwirtschaft gezeitigt, die für Millionen von Menschen weltweit zu
einer sozialen Bedrohung werden.
Jakob Fugger wird vielfach in seiner historischen Bedeutung
als Mann gewürdigt, der auf der Schwelle des Mittelalters zur Neuzeit
stehend, die Renaissance von Italien nach Deutschland gebracht hat.
Dieses Bild ist jedoch das des Jakob Fugger, der war, der Vergangenheit
bleibt. Daneben besteht allerdings auch ein Bild eines Jakob Fugger,
der uns Heutigen viel zu sagen hätte, der mit seiner Form des
Kapitalismus aktueller ist, wie nie zuvor: Jakob Fugger
bezeichneten seine Zeitgenossen als „den Reichen“, weil er als Chef
eines gigantischen Wirtschaftimperiums nicht nur einer der, sondern der
reichste Mann der damaligen Welt war. Trotz dieser heute kaum mehr
vorstellbaren Finanzmacht sah er sich dem bereits oben angesprochenen
Spannungsfeld aus sozialem Anspruch des Christentums und
kapitalistischem Gewinnstreben ausgesetzt und unter Druck gestellt. Aus
diesem Spannungsfeld resultierte das, was man – wohl nicht zu Unrecht –
als eine frühe Form des sozialen Kapitalismus bezeichnen darf.
In heutiger Zeit haben sich Wirtschaftsgiganten mit ihrem rein liberal
gewinnorientierten Kapitalismus nicht mehr um ihr Seelenheil zu sorgen,
wie einst Jakob Fugger, so dass die ethische Komponente sozialer
Verantwortung zunehmend in Vergessenheit geraten ist. Gerade dieser
rein liberal betriebene Kapitalismus hat nun jedoch eine globale
Wirtschaftskrise hervorgerufen, die Millionen Menschen mit sozialem
Abstieg bedroht und auch noch künftigen Generationen durch eine damit
verknüpfte, rasante Staatsverschuldung eine Bürde bedeuten wird. In
dieser Zeit stellt Jakob Fugger ein Beispiel vor, das zum Innehalten
und Nachdenken anregt.
Andrea Schütze
Andrea Schütze München, Andrea Schuetze, Lupa Romana, Historikerin, Rechtshistorikerin, Althistorikerin, Mediävistin, Kunsthistorikerin, Rechtshistorikerin, Archäologin,
Rezension.
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