Rezension Andrea Schütze: Burrer / Müller, Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der Antike
Wissenschaftliche Rezension
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Werkdaten:
Friedrich Burrer, Holger Müller (Hrsg.):
Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der Antike,
WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Darmstadt 2008
ISBN-10: 9783534209209
336 S.,
Preis: 79,90 €.
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Weitere Erscheinungsorte
der Rezension:
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Der
Anfang dieses Jahrtausends hat im Zusammenhang mit den militärischen
Operationen im Irak gezeigt, dass Krieg--im Unterschied zu früheren
Epochen--einen weit über die eigene unmittelbare Betroffenheit
hinausreichenden Sachverhalt bildet und geeignet ist, intensiv geführte
Diskussionen und globale Demonstrationen zu entfachen. Gerade in Zeiten
wirtschaftlicher Krisen erlangen ausser den juristischen und ethischen
Fragen jene nach den Kriegskosten und der Finanzierung militärischer
Unternehmungen (im wahrsten Sinne des Wortes) entscheidende Bedeutung.
Schon seit alters her und nicht nur in Zeiten klammer Staatskassen war
diese Frage eine zentrale, wenn nicht sogar die Frage vor, während und
nach dem Kriegsgeschehen. Geld regiert nicht nur die Welt, sondern
bestimmt ganz wesentlich auch den Ausgang militärischer Konflikte.
Dabei besitzt Krieg nicht nur eine vernichtende Komponente, sondern
vermag teils auch zum Erhalt, zur Bewahrung und Förderung ziviler
Systeme beizutragen,1 was angesichts der Kriegsgrausamkeit zu
akzeptieren oft schwer fällt. Dementsprechend ist Krieg und seine
Finanzierung auch eine Frage, die für den Zivilisten von zwiefachem
Interesse sein darf. Ein entsprechendes Interesse, das sicherlich über
die Grenzen des fachlich Spezialisierten hinausgeht, darf auch für das
von Friedrich Burrer und Holger Müller herausgegebene Werk
"Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der Antike" erwartet werden.
Der vorliegende Band verdankt seine Entstehung dem DFG-Projekt "Antike
Kriegskosten"2 und der 2007 in Mannheim veranstalteten Tagung
"Kriegskosten und Kriegsfinanzierung von der Antike bis zur Neuzeit"
(16.-18. Februar 2007), die sich in 16 Beiträgen widerspiegelt und
Impulse für weitere Forschungsarbeiten lieferte.
Die Herausgeber Friedrich Burrer und Holger Müller sehen das Projekt
noch "in der Auswertungsphase" (S. 11), so dass die vorgelegte
Publikation eher als eine Zwischenstandsaufnahme zu sehen ist, weisen
sie doch zusätzlich darauf hin, vorliegender Band vermöge unmöglich
einen Forschungsüberblick, sondern vielmehr eine Momentaufnahme der
aktuellen Forschungslage zu bieten. Entsprechend richtet sich hier
vorgetragene Kritik nicht gegen das Projekt und die Qualität der
Beiträge als solche, denn ganz zu Recht betonen die Herausgeber ein
dringendes Forschungsdesiderat für die Antike, "als im antiken . . .
Leben der Krieg eine überragende Rolle gespielt hat" (S. 10).
Kritik verdient die Präsentation dieses interessanten Themas und der
lesenswerten Beiträge. Die Herausgeber gehen scheinbar vom
projektinvolvierten Leser bzw. dem Teilnehmer der Tagung aus. Dafür
spricht ein unstrukturiertes Inhaltsverzeichnis, das dem Leser den
Umgang erschwert, und in der Einleitung angeführte, aber schliesslich
dann doch fehlende Beiträge (A. Chaniotis und Ph. de Souza) oder
umgekehrt in der Einleitung unerwähnte Beiträge (J. Nowosadtko).
Gleiches gilt für den Beitrag von W. Szaivert, der dem zweiten
Abschnitt angehört, allerdings bei den Beiträgen des dritten Abschnitts
steht, für die umgekehrte Chronologie im dritten Abschnitt zwischen den
Beiträgen von H. van Wees und K. Brodersen, und schliesslich für eine
uneinheitliche und teils leseunfreundliche Formatierung der
Literaturverzeichnisse. Das Werk anhand dieser formalen
Schönheitsfehler zu bewerten wäre unfair, da es wesentlich auf den
Inhalt ankommt, der ein deutlich besseres Urteil verdient hat, aber
diese Kritik darf und muss den Herausgebern auf die Schwelle gelegt
werden. Ein klares und konsequent verfolgtes Raster hätte eher ein
Ganzes als die Summe seiner Teile zu schaffen vermocht.
Es werden vier Themenkreise behandelt: (1) Kosten einzelner Kriege, (2)
einzelne Kostenarten, (3) Kriegsfinanzierung in verschiedenen Epochen,
(4) einzelne Finanzierungsarten. Der in den Fokus genommene Zeitrahmen
erstreckt sich von 478/477 bis 27 v. Chr. Als etwas unglücklich
erscheint es dann allerdings, dass von den Autoren gerade die
ausgesparte römische Kaiserzeit als Argument für die Bedeutung von
Kriegskosten innerhalb des Staatshaushalts angeführt wird (S. 9).
Abgesehen von diesen Kritikpunkten darf die Einführung zu dieser
Thematik als durchaus gelungen betrachtet werden. Hervorzuheben ist
besonders die gute Quellenkritik in Text und Bild. Sie vermittelt einen
Eindruck von der im Projekt geleisteten umfangreichen und
differenzierten Aufarbeitung antiker Quellenbelege über antike
Kriegskosten. Diese können über eine Datenbank auf der Homepage des
Projekts weiter erschlossen werden. Neben einem umfangreichen
Literaturverzeichnis, das jedem Beitrag angefügt ist, gestaltet sich
der Hinweis auf eine weitere, gleichfalls auf der Homepage einsehbare,
umfangreiche Literaturliste als sehr positiv. Ein Sach- und Namensindex
erleichtern zudem eine konkrete Suche.
Entgegen der Betitelung des ersten Abschnitts als "Kosten einzelner
Kriege" widmet sich dieser konkret eigentlich nur einem, dem
Peloponnesischen Krieg, der in zwei Beiträgen besprochen wird. Dies
erscheint etwas bedauerlich, denn beide Beiträge überlagern sich nicht
nur ein wenig, sondern vermitteln mit ihrem Schwerpunkt auf der
Seekriegsführung ein einseitiges Bild, das die überwiegende Masse der
an Land geführten Kriegsoperationen nicht für ein Vergleichsmomentum
erschliesst. Klaus Meisters Beitrag (Die finanzielle Ausgangssituation
Athens zu Beginn des Peloponnesischen Krieges, S. 19-27) korrigiert das
von Thukydides (Rede des Archidamos) vermittelte Bild vom übermächtigen
Athen hin zu einem Athen, das bereits in der Anfangsphase des Krieges
enorm belastet gewesen sein muss. Nach Jürgen Malitz (Der Preis des
Krieges. Thukydides und die Finanzen Athens, S. 28-45) sind
Kriegskosten bei Thukydides (anders als bei Herodot) "ein wichtiges
Element seiner Darstellung" (S. 28) und somit für Malitz Indiz auf den
in seiner Bedeutung gestiegenen Kostenfaktor, bedingt durch eine
intensive waffentechnische Modernisierung der Seekriegsführung
(Trieren). Demzufolge habe auch die Finanzmacht des Perserkönigs diesen
zum entscheidenden Faktor im gesamten Kriegsgeschehen werden lassen.
Für Malitz erfährt Krieg durch die höhere Bewertung des Kosten- bzw.
Geldfaktors eine Qualitätsveränderung dahingehend, dass hier nicht mehr
ein "patriotisch" (S. 37) geführter Krieg, sondern ein im Wesentlichen
durch die dahinterstehende Finanzpotenz der beteiligten Parteien
bestimmte Materialschlacht stattfand. Ob die gewandelte Kriegsqualität
allein aus dem Kostenfaktor und nicht auch aus einer veränderten
Gegnerkonstellation begründet gewesen sein könnte, darf gefragt werden.
Der zweite Abschnitt thematisiert "Einzelne Kostenarten", vorgetragen
in vier Beiträgen. Der wohl rahmengebende Beitrag von Philipp de Souza,
der einen Überblick zur Seekriegsfinanzierung von der Archaik bis zur
römischen Kaiserzeit hätte bieten sollen, fehlt aus von den
Herausgebern nicht zu vertretenden Gründen. Vincent Gabrielsen (Die
Kosten der athenischen Flotte in klassischer Zeit, S. 46--73) kehrt in
seinem Beitrag die Kostenintensivierung der Kriegsführung in
klassischer Zeit hervor, die -- bedingt durch gestiegene Ansprüche im
Bereich der Seekriegsführung -- nicht nur zu einem proportionalen,
sondern äquivalenten Bedeutungs-Verhältnis zwischen Kriegswaffen und
Finanzen führte, weil "der Zusammenhang zwischen Geld und
Seekriegführung so stark geworden war, dass Geld oder Reichtum allein
schon als Waffe betrachtet wurde" (S.61). Friedrich Burrer (Sold und
Verpflegungsgeld in klassischer und hellenistischer Zeit, S. 74-90)
behandelt die Entwicklung und Modalitäten der Entlohnung von Soldaten.
Holger Müller (Gesandtschaftsgeschenke im Kontakt kriegerischer
Auseinandersetzungen im Altertum, S. 91-105) erweitert das
Betrachtungsspektrum von den unmittelbaren hin zu den mittelbaren
Kriegskosten und beschäftigt sich mit der diplomatisch-politischen
Seite des Krieges. Livius, dem Müller hohen Quellenwert beimisst,
berichtet hinsichtlich des Umgangs mit Gesandtschaften von der
Herausbildung eines Einheits- und zugleich fein abgestuften Rangsystems
hinsichtlich des betriebenen Aufwandes. Wolfgang Szaivert
(Kriegskosten--eine Spurensuche in der antiken Numismatik, S. 161-174)
geht der Frage nach, anhand welcher Kriterien sich numismatische
Reaktionen auf die Kriegskostendeckung ausmachen lassen. Dabei kommt er
am herangezogenen Beispiel der Denareinführung 211 v. Chr. zu dem
Schluss, die Einführung habe etwa durch eine veränderte Rom-Typologie
des Münzbildes und einen vereinheitlichend wirkenden Währungsumlauf
einem politischen Abfallprozess entgegnet und eine Orientierung hin auf
Rom bewirkt. Der Beitrag von Szaivert erweckt auch aus dem Grund
Interesse, als er sich von den vorangegangenen Beiträgen in seiner
Akzentsetzung deutlich absetzt: Geld erscheint hier nicht allein als
Verkörperung einer ihm innewohnenden Potenz, militärische Macht zu
schaffen, sondern zeigt, wie intensiv die Kriegsfinanzierung mittels
Münze auch als kommunikatives Medium Verwendung fand.
Der dritte Abschnitt "Kriegsfinanzierung in verschiedenen Epochen"
beleuchtet als interdisziplinärer Entwicklungsüberblick eine
proportionale Verbindung zwischen Effizienzsteigerung des Finanzsystems
und militärischer Potenz. Kai Brodersen (Nützliche Forschung:
Ps.-Aristoteles? Oikonomika II und die Haushalte griechischer Poleis,
S. 106-127) untersucht anhand der Oikonomika des Pseudo-Aristoteles die
Finanzierungssituation griechischer Poleis im 4. Jahrhundert.
Pseudo-Aristoteles stellt ein speziell auf diese Fragestellung
ausgerichtetes kompilatorisches Werk vor, das als eine Art "Konz der
Antike" gerade auf die Spitzenwerte in den Bilanzen der Poleis hinweist
(einschliesslich der Forderung eines zwischen Ausgaben- und
Einnahmenbereich streng kalkulierenden Bilanzwesens). Hans van Wees
("Diejenigen, die segeln, sollen Sold erhalten". Seekriegführung und
-finanzierung im archaischen Eretria, S. 128-150) sucht durch eine
Neuinterpretation des Gesetzes von Eretria zu belegen, dass die im
Wesentlichen auf den Angaben bei Thukydides basierende Datierung der
Verwendung von Trieren zur Kriegsführung in Athen nicht erst auf 483 v.
Chr. anzusetzen, sondern parallel zu Eretria auch für Athen um 20 bis
40 Jahre ins späte 6. Jahrhundert vorzuverlegen sei. Die Trieren des 6.
Jahrhunderts seien jenen des 5. Jahrhunderts an Zahl unterlegen, aber
"in vielerlei Hinsicht historisch bedeutender als die berühmten Flotten
der Perserkriege [gewesen], da ihre Schaffung die Mechanismen und
Prinzipien von Staatskontrolle und staatlicher Finanzierung begründete,
ohne welche die spektakuläre Flottenexpansion der 480er Jahre nicht
möglich gewesen wäre" (S. 142). Léopold Migeotte (Kriegs- und
Verteidigungsfinanzierung in den hellenistischen Städten, S. 151-160)
fragt, in welchem Masse Poleis von der Klassik zum Hellenismus
militärischen Verpflichtungen ausgesetzt waren und ihre Staatsausgeben
geordneten Bahnen folgten. Olivier Picard (Thasische Tetradrachmen und
die Balkankriege im ersten Jahrhundert v. Chr., S. 175-192) versucht
anhand einer umfangreichen numismatischen und topographischen
Beweisführung, Licht in die Finanzierung und die Rolle thasischer
Finanziers zur Zeit der in den Schriftquellen schlecht überlieferten
Balkankriege zu bringen. Uwe Tresp (Kostenbewusstsein im Krieg? Zur
Verwaltung und Finanzierung der Kriegführung deutscher Fürsten im 15.
Jahrhundert, S. 193-209) widmet sich dem Spätmittelalter. Im
Unterschied zur bereits hervorgehobenen Belastungswirkung durch
Kriegskosten hebt Tresp das zur Bewältigung und für das politische
Überleben erforderliche evolutionäre Element der Kriegskosten hervor,
das unter anderem zur Effizienzsteigerung des "staatlichen"
Finanzwesens und zur Ausbildung des ständischen Dualismus
(Fürst--Stände) führte und damit wesentliche Grundlagen für die
Herausbildung neuzeitlicher Staatsstrukturen beisteuerte. Niklot
Klüssendorf ("Kleine" Mechanismen der Kriegsfinanzierung in der frühen
Neuzeit, besonders im 18. Jahrhundert, S. 210-227) gibt anhand
neuzeitlicher Numismatik einen Einblick in die Finanztricks der
Kriegsparteien (bis hin zum Falschgeld als Waffe gegen den Feind).
Weiter berichtet er von versuchten Gegenmassnahmen zur Bewältigung der
enormen Kostenlast im Einzugsbereich der Kriege, die nicht nur einen
Krieg zu Felde, sondern auch in den Münzen widerspiegeln.
Der vierte Abschnitt steht mit drei von vier Beiträgen klar im Zeichen
der Römer. Die Herausgeber haben ihn unter das Stichwort der
"Finanzierungsarten" gestellt und weiter in Beute (Reinhard Wolters)
und Reparation/Kontribution (Burkhard Meissner / Peter Kehne)
untergliedert. Der Beitrag von Jutta Nowosadtko wurde von den
Herausgebern zwar nicht explizit zugeordnet, dürfte aber wohl im
zweiten Bereich anzusetzen sein. Reinhard Wolters (Triumph und Beute in
der römischen Republik, S. 228-245) beleuchtet den Kostenfaktor Krieg
von der Ergebnisseite her -- dem Triumph. Beute diente im nobilitären
Wettbewerb als Leistungsmassstab, so dass etwa den bei Livius
tradierten Beutezahlen hohe Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Durch die
Trennung von Kriegskosten und Kriegserträgen präsentierte sich Beute
während der Triumphzüge gewissermassen als "Bruttoertrag" des Krieges.
Die militärisch begründete Expansion römischer Herrschaft brachte zwar
nach dem Ende des Zweiten Karthagischen Krieges einen Kostenaufwand mit
sich, steigerte jedoch die römische Finanzkraft deutlich, etwa durch
Zugang zu hochwertigeren Metallen für die Münzprägung, geleistete
Kriegskostenentschädigung der Besiegten und dauerhafte Steuerzahlungen
aus den Provinzen. Mitte des 2. Jahrhunderts begann sich eine Wende
abzuzeichnen, die Beute gegenüber Kriegskostenentschädigungen in den
Hintergrund treten liess, was sich beispielsweise in der Gestaltung der
Triumphzüge anhand einer zunehmenden Abstrahierungstendenz ablesen
lässt. Beute als Prestigefaktor begann an Bedeutung zu verlieren, und
Soldat zu sein entwickelte sich für die Kriegsspezialisten (Soldaten)
zu einem "existenzsichernden Beruf" (S. 240). Im Unterschied zu
früheren Zeiten wurde der hierfür erforderliche Unterhalt nicht mehr
von aussen durch Besiegte, sondern von innen durch Steuerleistungen der
Bürger gewonnen. Burkard Meissner (Reparationen in der klassischen
griechischen Welt und in hellenistischer Zeit, S. 246-259)
geht--eingebettet in einen Rahmen moderner Kriegsgeschichte des 20.
Jahrhunderts--der Frage nach, wie Reparation und
Kriegskostenkompensation im Rahmen antiker Friedensabkommen geregelt
wurden. Während im griechischen Raum das Bild bis in hellenistische
Zeit "vielgestaltig und diffus" wirkt (S. 250) und mehr
situationsbedingt und einzelfallbezogen erscheint, lassen sich hingegen
für die römische Welt schon im Zeitalter des Aufstieg des Imperiums
klare strukturelle Regelungen erkennen, die Krieg und Frieden "im
Kontext einer Rechtsvorstellung" verorten (S. 251). Kriegsschäden und
Kriegskosten waren daher viel stärker in Beziehung zueinander und zu
strafrechtlichen Vorstellungen gesetzt. Dabei stellt Meissner die
Ambivalenz des Krieges heraus, der neben einer formal-rechtlichen auch
eine religiöse Komponente besass. Innerhalb dieses strengen Rahmens war
"Krieg . . . zwar Zwang, aber nicht . . . Mittel zu schlechthin jedem
beliebigen politischen Zweck", sondern diente der
"Rechtswiederherstellung" (S. 254). Strafe und Kompensation standen
daher in einer "Proportionalität" zu Reparationen. Mit seiner logischen
Argumentation überzeugt Meissner vollkommen, allerdings erscheint mir
seine Beurteilung des Friedensschlusses nach Ende des Zweiten Punischen
Krieges 202 v. Chr., der dazu gedacht war, Karthago "nicht finanziell
zu knebeln und zu überfordern, sondern politisch an die Kette zu legen"
(S. 248) und es "über die ganze geplante Zeit symbolisch . . . wie
abgaben- oder tributpflichtige Unterworfene" zu binden (S. 248),3
dennoch zu rechtstheoretisch. Dass Roms Auftreten hier nicht (nur)
symbolische Akte setzte, kann auch nicht der von Meissner angeführte
Umstand der schnellen Rekreation Karthagos verändern, die für die Römer
zumZeitpunkt des Vertragsschlusses sicherlich nicht vorhersehbar war.4
Wollte Rom seinen Führungsanspruch behaupten--und das Auftreten der
Römer bei diesem Friedensschluss lässt sehr darauf schliessen 5--dann
musste Karthago dauerhaft ausgeschaltet werden 6, was eine symbolische
und zeitlich begrenzte politische Fessel wohl nicht zu erreichen
vermocht hätte, es sei denn, der Gegner wäre finanziell am Boden
gehalten worden 7 (auf die "Waffentauglichkeit" des Geldes haben
voranstehende Beiträge bereits mehrfach hingewiesen). In Korrespondenz
dazu steht der Beitrag von Peter Kehne (In republikanischen Staats- und
Kriegsverträgen festgesetzte Kontributionen und Sachleistungen an den
römischen Staat: Kriegsaufwandskosten, Logistikbeiträge,
Kriegsentschädigungen, Tribute oder Strafen?, S. 260-280), der sich
unter Auflistung umfangreicher Daten und historischer Beispiele der
Frage widmet, welche Bedeutung die Kontributionsleistungen in der
römischen Kriegsführung einnahmen. Im Titel seines Beitrags werden
bereits die in der Literatur diskutierten Möglichkeiten aufgeführt, die
er in Folge analysiert. Kehne sieht den poenalen Charakter dieser
Zahlungen zwar grundsätzlich als gegeben an, zeigt andererseits aber
auf, dass die eingeforderten Leistungen in keiner proportionalen
Relation zu den wohl tatsächlichen Kriegsaufwandskosten und
Schadensersatzleistungen gesehen werden können. Für Kehne besitzen sie
zwar unbestreitbar politischen Charakter, dennoch lehnt er eine
Ausdeutung als ständig erinnernden und gängelnden Tribut ab. Allerdings
sieht er darin durchaus Potential als Kompensat für die weiterlaufenden
Militärkosten während Friedensverhandlungen oder als Beuteersatz zur
Aufrechterhaltung der Truppenmoral. In Übereinstimmung mit dem Beitrag
von Wolters--und dem römischen Rationalitätssinn durchaus
gerecht--deutet er sie als eine zusätzliche, langfristige
Einnahmequelle für den römischen Staat. Die Kontributionsleistungen
müssten--so richtig Kehne--multikausal erklärt werden, auch dürfe "der
mit der beinahe schon sprichwörtlichen römischen Geldgier gepaarte
Rache- und Bestrafungsaspekt [nicht] negiert werden" (S. 271). Jutta
Nowosadtko (Realeinquartierung als bürgerliche Last. Unterhalt und
Verwaltung von Militärbesatzungen im 17. Und 18. Jahrhundert,
S.281-287) erläutert nach einem zur Länge des Beitrags fast schon zu
umfangreichen Forschungsüberblick die "zivilen" Konsequenzen, die die
Einquartierung von Soldaten mit sich brachten und zur Verschuldung
Einzelner oder ganzer Gemeinschaften führten, die jene selbst im 18.
Jahrhundert noch die finanziellen Folgen des Dreissigjährigen Krieges
spüren liess.
Während Kriege heute selbstverständlich viel Geld kosten, handelt es
sich bei den antiken Kriegen um ein bislang vernachlässigtes Gebiet.
Obwohl die Rezensentin Parallelisierungen zwischen Moderne und Antike
sehr zurückhaltend bis ablehnend gegenübersteht, zeigt sich in der Welt
der unveränderlich nüchternen Zahlen jedoch, dass -- damals wie heute
-- Geld entscheidend für den Kriegsausgang war, man mit Bilanz- und
sonstigen Finanztricks versucht hat, finanzielle Probleme
umzuschichten, dass Krieg nicht nur zerstörte, tötete und Opfer
produzierte, sondern es offenbar immer Menschen gab, die der Krieg
ernährte, die von ihm lebten, an ihm verdienten, mit ihm spekulierten.
Gerade zur Vergegenwärtigung dieses Umstandes trägt der
interdisziplinär übergreifende Ansatz auch bei. Obwohl in den Beiträgen
teils sehr viele Zahlen, Daten und sonstige Fakten präsentiert wurden,
teils in Tabellen und Grafiken aufgearbeitet, tragen sie nicht zur
Ernüchterung des Rezipienten bei, sondern vermögen beim zunehmenden
Einblick in diese Materie durchaus Interesse zu wecken.
Andrea Schütze
Andrea Schütze München, Andrea Schuetze, Lupa Romana, Historikerin, Rechtshistorikerin, Althistorikerin, Mediävistin, Kunsthistorikerin, Rechtshistorikerin, Archäologin,
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